Zinsen treffen Computerhandel – der Crash aus dem Nichts

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Noch Anfang des Jahres herrschte meditative Tiefenentspannung bei Investoren: Die globale Wirtschaft blüht und gedeiht in einträchtiger Harmonie, Unternehmen wachsen und erzielen Rekordgewinne, Zinsen sind niedrig und als i-Tüpfelchen verabschiedet die amerikanische Regierung noch milliardenschwere Steuerreduzierungen. Die Glückseligkeit an den Aktienmärkten scheint auf Ewig in den Depots der Anleger Einzug gehalten zu haben. Anfang Februar wird es plötzlich ungemütlich, sehr ungemütlich sogar für einige Marktteilnehmer. Einige Hedgefonds – vor allem in den USA – sind an einem Tag pleite und verlieren 100 % der Anlegergelder. Was passierte an diesem denkwürdigen Tag, den sich einige Investoren sicherlich im Kalender vermerken werden?

Im Fußball gibt es das geflügelte Wort „Haste Sch... am Schuh, haste Sch... am Schuh“. Ich bin der Meinung, das Zitat ist Andy Brehme, unserem Elfmeterhelden und Weltmeisterschützen, zuzuschreiben.

Am Aktienmarkt bedeutet dies, dass eine ausgesprochen euphorische Stimmung für Aktien in den USA auf plötzlich merklich steigende Zinsen und infolgedessen auf computergesteuerte Verkaufsprogramme traf. So kann es kommen, vor allem an den Wertpapiermärkten. Was aber sind genau die Werttreiber – oder in diesem Fall die Verlusttreiber – hinter der kurzfristig starken Bewegung?

Zuerst einmal war wohl die Zinsentwicklung entscheidend. Wenn relativ stark steigende Zinsen auf eine euphorisch hypnotisierte Investorenmeute treffen, ruft das die mächtigste Händlergruppe an den Aktienmärkten auf den Plan. Das ist der Computerhandel. Durch die relativ hohen Gewinne des letzten Jahres, die zudem mit historisch niedrigen Schwankungen erzielt wurden, sind die Handelsprogramme meist so eingestellt, dass kleine Kursrückgänge Verkaufsorders auslösen. Etliche computerbasierte Handelsstrategien sind sogenannte Trendfolgemodelle und arbeiten zudem mit Stopp-Loss-Marken. Wenn also durch die „Sensibelchen“ unter den Computerprogrammen erste Verkäufe die Preise drücken, folgen immer mehr Stopp-Loss-Verkäufer, bis dann auch Trendfolge-Programme loslegen, um damit wieder Stopp-Loss-Verkäufer anzutriggern usw.

Die verschiedenen Programme machen so gemeinschaftlich aus einer Kurskorrektur ggf. einen Kurssturz. So purzeln Kurse und Indizes verlieren Rekordwerte. Nachbörslich geht das Spektakel wie von Geisterhand einfach weiter. Aktive Investoren, die Schnäppchen wittern, können zu dieser Zeit noch nicht eingreifen.

In diesem Fall ist die kurzfristige Herleitung des (in Punkten) größten Tagesverlustes an etlichen Aktienmärkten und des größten Tagesanstiegs der Volatilität in der Geschichte der Börse recht klar analysierbar. Umso mehr, da die Märkte sich in den Folgetagen stabilisierten. Es lag an der vorgenannten Dynamik – ausgelöst durch computerbasierte Handelsprogramme.

Der Computer übernimmt Entscheidungen

Die technischen Innovationen der letzten Jahre ermöglichen es spezialisierten Investmentboutiquen wie uns, unglaubliche Datenmengen mit leist- und bezahlbarem Aufwand zu analysieren. Hier ist der Einsatz des Computers ein Segen. Wie zuletzt Anfang Februar kann der Computer jedoch auch zum Fluch werden. Unserer Meinung nach wird das zukünftig sogar noch zunehmend geschehen – vor allem, weil etliche Menschen überzeugt sind, einen Algorithmus ge- oder erfunden zu haben, der Anlageentscheidungen besser trifft als fachkundige Portfoliomanager.

Die Software versucht dann beispielsweise Trends an der Börse zu nutzen. Oder sie versucht Arbitragegeschäfte zu machen. Papiere werden dann eventuell in New York gekauft, um sie Sekundenbruchteile später in Paris zu einem minimal anderen Preis zu verkaufen. Wer die leistungsfähigeren Rechenzentren und kürzeren, schnelleren Datenleitungen hat, gewinnt diesen sinnfreien Wettlauf um Millisekunden. Mit „Investieren“ hat das natürlich wenig zu tun. Zum einen kann ein Computerprogramm nicht innehalten und im Zweifel Schwachsinn von echten Ereignissen unterscheiden. Es wird ja vor allem nicht de Ursache, sondern die Wirkung (Kursentwicklung) bei der Analyse und Schlussfolgerung für den eigenen Trade zugrunde gelegt. Ob ein Kursrückgang nur berechtigt eine Abwertung einpreist oder ob es ein kurzfristiger und unbegründeter Schluckauf ist, erkennt ein Computerprogramm schlechter oder gar nicht.

Ist der nächste Crash quasi „vorprogrammiert“, weil der Computer Entscheidungen übernimmt?

Diese Entwicklungen bieten Chancen und natürlich auch Risiken. Anleger sollten souverän entscheiden, wie damit umgegangen wird. Investoren haben zunehmend Angst, dass die Bewertungen an Anleihen und Aktienmärkten zu hoch sind. Verführerisch werden immer häufiger „prognosefreie Investmentkonzepte“, die meist von Computerprogrammen auf geheimwissenschaftliche Art gemanagt werden, aufgelegt und erfolgreich Gelder dafür eingeworben. Dass so etwas deutlich schief gehen kann, konnten wir schon mehrfach beobachten. Anfang Februar zerlegte es einige Volatilitätsstrategien nachbörslich so sehr, dass die Fonds – im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht – alle Einlagen der Investoren verloren. In derartigen Phasen verlieren auch passive Anlageinstrumente wie bspw. ETFs regelmäßig überproportional. Es ist ja auch logisch, da ein passives Anlageinstrument immer der eigentlichen Entwicklung hinterherlaufen muss oder es zumindest versucht und dadurch starke Marktbewegungen umso mehr verstärkt werden. Das Bedürfnis der Anleger, an günstigen Chancen zu partizipieren, veranlasst Banken zu immer abenteuerlicheren Produktkonzeptionen und treibt zumindest Banken, die Derivate emittieren, seit Jahren die Freudentränen in die Augen.

Kurzum: Es wird geschätzt, dass rund 40 % des europäischen Handelsvolumens und bis zu 70 % des Handelsvolumens an der amerikanischen Börse von Computerprogrammen „gedreht“ wird. Durch das beträchtliche Volumen darf eine solche Entwicklung natürlich nicht ignoriert werden und sollte zum Vorteil von Investoren im Portfoliomanagement genutzt werden. Anleger sollten jedoch entscheiden, ob sie langfristig investieren, wenn die Wahl auf ein Investment fällt. Falls ja, dann sind wir weiterhin der Überzeugung, dass Computer und die neuesten Programme dabei enorm helfen, Daten, Märkte usw. zu analysieren. Die daraus resultierenden Entscheidungen zu erarbeiten obliegt jedoch weiterhin besser Menschen, die mit Erfahrungen, Kenntnissen und einem offenen Geist im Sinne des Anlegers agieren.

 

Stefan Schrader

 

 

Titelbild: fotolia #130967355 | Urheber: Alexander Limbach

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