Anhaltender Bullenmarkt: Wie lange noch?

Die derzeitige Phase steigender Aktienkurse, traditionell „Hausse“ und neusprachlich „Bullenmarkt“ genannt, ist eine der längsten in der Geschichte. Profis fragen sich inzwischen, wie lange sie noch anhalten wird.

 In der Geschichte der deutschen Aktien gab es seit 1872 bisher fünf längere Aufwärtsphasen, vier davon vor dem zweiten Weltkrieg. Die Zyklen ohne Vernetzung, Computerhandel oder weltweite Abstimmung sind mit der Gegenwart nicht vergleichbar. Die meisten Bullenmärkte gipfelten in großer Euphorie: Ende der 1920er Jahre haben Straßenfeger und Hausangestellte mit Nahrungsmitteln an Terminmärkten spekuliert und wahllos Aktien gekauft. In den 1960er Jahren kauften Anleger in den USA ungehemmt „wachstumsstarke Qualitätsaktien“. Eine derartige Euphorie ist derzeit nicht zu erkennen.

Der aktuelle Bullenmarkt bei deutschen Aktien begann am 12. September 2011. Er ist einer der längsten seit der Informationsverarbeitung in Echtzeit. Die Höhe des Kursanstiegs in dieser Hausse liegt mit ca. 120 % interessanterweise unter dem historischen Durchschnitt von ca. 150 %. Vergleicht man unterschiedliche Aktienmärkte, so zeigen sich überall ähnliche Entwicklungen. Dies zeigt die untenstehende Grafik, die den Verlauf des DAX, des Stoxx Europe 600 sowie des S&P 500 gegenüberstellt. Seit dem Jahrtausendwechsel erscheint die aktuelle Lage an den Börsen moderat, die heutige Bewertung der Titel sogar eher günstig aus Sicht der Bewertungen jeweils zu Beginn der Börsenkrisen 2001 und 2008. Ein Teil der Börsengewinne seit dem Tiefpunkt im März 2009 ist eher eine Gegenreaktion auf die massiven Verwerfungen in den Jahren davor, als sich der Preis von Aktien nahezu halbiert hatte. Die wenigsten Anleger haben dies allerdings damals erkannt und sich zu kaufen getraut. Es ist bekannt, dass viele Anleger gerade bei Aktien prozyklisch agieren.

 Stoxx Europe 600

Quelle: vwd

 

Langfristige Zinsen

Die Zinsen fallen seit ca. 35 Jahren kontinuierlich. Daher steigen die Kurse von festverzinslichen Wertpapieren (Renten und Anleihen) seither kontinuierlich (siehe Charts). Damit schlägt die Dauer der Hausse an den Rentenmärkten alles bisher Dagewesene.

Langfristige Zinsen   Rex 10 Jahre Quelle vwd

Investoren, die vornehmlich in solche Rentenpapiere investieren, haben davon profitiert. Pensionskassen und Lebensversicherer konnten bspw. somit die Auswirkungen der niedrigen Zinsen einigermaßen kompensieren und noch positive Ergebnisse vorweisen.

 

Steht eine größere Korrektur an?

Die Zinsen werden nicht weitere 35 Jahre lang sinken. Die Kurse von Rentenpapieren werden also nicht weitere 35 Jahre lang steigen. Einige Auguren, Verkünder der göttlichen Vorsehung, prophezeien einen Zinsanstieg und den damit verbundenen Kursrückgang bei Renten kurzfristig, andere sagen, es kann noch dauern. Wer von beiden recht behält, ist egal. Dass man sich gegen das Risiko gut abgesichert hat, ist wesentlich.

 Für Pensionskassen und Lebensversicherer ist das nicht so einfach; ihre Portfoliostruktur ist durch gesetzliche Rahmenvorschriften weitgehend auf zinssensible Papiere festgelegt. Gehen die Kurse dieser Papiere deutlich zurück, hängt viel von evtl. noch vorhandenen stillen Reserven aus früheren Kursanstiegen ab. Sind davon nicht ausreichend vorhanden, ist ein Einschreiten der Bundesaufsicht zum Schutz der Versichertengemeinschaft zwangsläufig und hätte unschöne Konsequenzen für alle, die Lebensversicherungen als Kapitalanlage halten.

 Aktienkurse wiederum profitieren traditionell neben Unternehmensgewinnen und positiven wirtschaftlichen Rahmendaten auch von steigenden Zinsen. In den großen Volkswirtschaften zeigen die Einkaufsmanagerindizes gegenwärtig positive Erwartungen an. Die Unternehmensgewinne steigen weiterhin moderat; die Arbeitslosenzahlen zeigen überwiegend positive Tendenzen; eine großflächige Kursübertreibung ist nicht zu erkennen. Steigende Zinsen können in diesem Umfeld ungestört ihre Wirkung auf Aktienkurse entfalten.

 Natürlich sind Aktien mit der aktuellen Bewertung nicht mehr billig und eine Korrektur ist immer möglich. Allerdings werden die Gründe für deren Auslöser nicht primär mit der Hausse der vergangenen Jahre zu erklären sein. Aktuell stellt die geopolitische Situation ein nicht unerhebliches Risiko dar. Konfliktherde wie das Verhältnis Nordkorea/USA haben immer kurzfristig starke Kursauswirkungen. Auch eine Veränderung der Geldpolitik hat sowohl positive als auch negative Kursmomente.

 

Fazit: Eine differenzierte Betrachtung einzelner Märkte und erhöhte Wachsamkeit sind aktuell durchaus geboten.

Die Auffassung, Aktien seien generell aufgrund der anhaltenden Hausse inzwischen überbewertet, teilen wir nicht. Aufgrund der oben beschriebenen positiven Rahmendaten sehen wir keine unmittelbaren Krisensignale für Aktienkurse.

 

 

Ralf Lex

 

Titelbild: 95260117 © Eisenhans / Fotolia

Kontakt

Ungültige Eingabe

Mit dem Absenden des Kontaktformulars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten zur Bearbeitung Ihrer Anfrage verwendet werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kontakt

Rufen Sie uns an unter
Tel.: 089 - 41 41 457 - 0

oder senden uns eine E-Maill an:
info@titus-gmbh.de

titus Beratung GmbH
Pacellistrasse 8
80333 München